Chronik
Im oberen Usatal, unweit des alten Ortskerns von Anspach, liegt in landschaftlich zauberhafter Umgebung unser Waldschwimmbad. Der historische Hintergrund dieser Stätte gründet auf eine Zeit, welche in unserem Land Spuren deutlichen Aufschwungs, aber auch, zumindest regional bedingt, eine große Tristesse hinterlassen hat. Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 war vorbei. Die Wirtschaft kam so langsam wieder in die Gänge und auch unsere Währung, die Goldmark, galt als stabil. Deutschland war also auf bestem Wege, eine stabile Wirtschaftsmacht zu werden. Unser Dorf allerdings war von diesem wirtschaftlichen Boom noch ausgeschlossen. Das Gegenteil war der Fall. Handwerke waren am Aussterben und die damit einher gehende Not in den einzelnen Familien war unübersehbar. Es war die Zeit, als kleinere Landwirte, bei größeren Bauern in Lohn und Brot stehend, zu Tagelöhnern wurden oder in heimischen Wäldern ihre Arbeit mühsam verrichteten. Andere wiederum fanden ihr spärliches Auskommen als Metallfacharbeiter "jenseits der Saalburg" oder betätigten sich im Strassenbau. Wenn von Anspachern "Poatzepleckern" die Rede ist, sind jene Menschen gemeint, welche Tag für Tag ihr Produkt, die Heidelbeeren, auf die Märkte benachbarter Städte schleppten. Die Not dieser Menschen erkennend, machte sich ein Mann, namens Emil Becker, auf, dies zu ändern. Wirtschaftliche Gerechtigkeit, Arbeitsschutzgesetze und geregelte Arbeitszeiten, waren nur einige Punkte eines Programms, welches ein Dorf im positiven Sinne des Wortes revolutionieren sollte. Es war die Zeit der Weimarer Republik. Als Emil Becker, unmittelbar nach Beendigung des ersten Weltkrieges, zum ersten demokratisch gewählten Bürgermeister in Anspach bestellt wurde, galt sein spontaner Gedanke der Nahrungsmittelversorgung und Wohnungsbeschaffung. Aber auch die sinnvolle Kultur- und Freizeitgestaltung seiner Mitbürger lag ihm am Herzen, wuchs doch mit zunehmendem Maße gerade bei der jungen Generation das Interesse an sportlicher Betätigung. Das Schwimmen beispielsweise stand hier besonders hoch im Kurs, allerdings waren die bislang hierfür vorhandenen Gegebenheiten mehr als dürftig.
Um die konkreten historischen Zusammenhänge unseres Waldschwimmbades richtig zu erfassen, muss man schon noch ein wenig in den "Geschichtsbüchern unseres Heimatdorfes" blättern. Wer heute, beginnend vom Ortsausgang in Anspach, im langsamen Tempo die Weil-Chaussee in Richtung Schwimmbad passiert, wird es kaum für möglich halten, dass in einem idyllisch gelegenen Wiesental, zwischen besagter Weilstrasse und dem Fußweg zum Schwimmbad, einst ein kleiner "Badesee" lag: der Johannisweiher. Seiner eigentlichen Funktion als Brandweiher dienend, war diese natürliche Anlage die einzige Stätte, Anspachs Jugend die Möglichkeit zu bieten, schwimmen zu lernen, was auch entsprechend genutzt wurde. Dass sich im Februar 1915 ein tödlicher Unfall hier ereignete, sei nur am Rande erwähnt. Ein Anspacher Junge, der beim Spielen über die eingrenzende Betonmauer fiel, ertrank in dem um diese Jahreszeit immer mehr an Wasser zunehmenden Weiher. In den zwanziger Jahren verlandete der Johannisweiher mehr und mehr. Eingrenzungsmauern wurden undicht und auch seiner ehemaligen Bestimmung, als Brandweiher seine Funktion zu erfüllen, wurde die Anlage nicht mehr gerecht. Somit war's auch mit dem Schwimmen vorbei.
Emil Becker war es dann, dessen Gedanke, ein neues Schwimmbad zu errichten, aufgegriffen und letztlich auch umgesetzt wurde. Natürlich war ihm bewusst, dass der noch im Dorf bestehenden Not nur durch gemeinnützige Arbeiten, bei kargem Lohn, effizient begegnet werden konnte, zumal die Gemeinde nicht in der Lage war ein solches Projekt, finanziell durchzuführen.
Auch wuchs die Arbeitslosigkeit Ende der 20iger Jahre permanent. Diverse Notstandsmaßnahmen hatte der Bürgermeister bereits abschließen können und so fehlte eigentlich nur noch die Genehmigung für die "Aktion Waldschwimmbad". Als Emil Becker schließlich den Nachweis einer ordentlichen Finanzierung erbrachte, entschied sich das Parlament am 2. Juni 1932 für den "Bau des Bades zwischen Hardt und Fichten" (u. a. auch mit der Herstellung einer Wiese an Stelle des ehemaligen Johannisweihers).
Das erforderliche Wasser zur Speisung des Beckens sollte dem Usbach entnommen werden. Mit einer Breite von 20m und einer Länge von 55m, wären - so die Finanzplanung - für das gesamte Projekt etwa 10.000 Reichsmark aufzubringen.
Ausschlaggebend für die Zustimmung des Projektes war schließlich der Nachweis, dass für Löhne keinerlei Aufwendungen zu Buche schlagen würden. Von der realen Endsumme verblieben schließlich 3.500 RM, von denen 2000 RM die Gemeinde aufbrachte, die auch für die Bereitstellung des Geländes, sowie die des erforderlichen Holzmaterials sorgte. Der Restbetrag (1.500 RM) wurde durch Zuschüsse bzw. private Darlehn aufgebracht .
Und nun ging's zur Sache. In einer beispiellosen Aktion im Rahmen des "freiwilligen Arbeitsdienstes" schufen zuständige Unternehmer, Fuhrleute und Anspacher Arbeiter ein Werk, von dem eine spätere Besichtigungskommission behauptete, dass, unter dem damaligen Wiesenbaumeister Klöckner " wohl selten Natur und Menschenhand eine Anlage von solcher Schönheit geschaffen haben".
Wie aber können wir uns heute die ehemalige Anlage vorstellen: Während das komplette Becken mit Rundholz ausgelegt war, wurde das Kinder- und Nichtschwimmerbecken mit einfachen Bohlen ausgelegt. Ebenfalls mit Bohlen verschalt war der Rand des Beckens. Terrassenförmig angelegte Liegewiesen an der Waldseite, sowie weitere Wiesenflächen an der Nordseite des Bades (Usatal) bildeten die natürliche Begrenzung. Grüngestrichene Badekabinen und eine der Natur angepaßte Birkenholzumrandung des Beckens fügten sich harmonisch in den Gesamtkomplex der neuen Anlage ein.
Wenn man bedenkt, welcher Anstrengungen es im Vorfeld der Realisierung bedurfte und unter welchen sozialen Umständen all das hier Geschaffene zu Stande kam, ist es um so bemerkenswerter, alle Arbeiten im Zeitraum von nur einem Jahr (1932) begonnen und auch vollendet zu haben.
Vergessen sollte man nicht jene beiden Männer, welche für die Durchführung des Baus verantwortlich gewesen sind: Heinrich Müller und Heinrich Schöffner aus Anspach .
Dann kam der Krieg, jener mörderische Geselle, welcher nicht nur unzählige Menschen dahin raffte, sondern auch Bauwerke dem Erdboden gleich machte oder diese in ein Ruinendasein verbannte.
Emil Becker selbst, hat gottlob die fatalen Auswirkungen auf sein Lebenswerk nicht mehr erlebt. Durch die Nationalsozialisten politisch ausgegliedert und all seiner Illusionen beraubt, starb er am 23. April 1936 als seelisch ausgezehrter Mann.
Der Krieg war vorüber. Deutschland arbeitete sich langsam wieder nach oben. Das Schwimmbad befand sich in den letzten Kriegstagen in einem sehr verwahrlosten Zusand und war als solches auch nicht mehr zu gebrauchen.
"Wiederbelebungsversuche" in Form vorgenommener Reparaturarbeiten (1946 u. 1947) konnten dieser Dekadenz keinen Einhalt gebieten. Das ursprünglich an allen Stellen des Bades verarbeitete Holz verfaulte zusehends.
Der neue Bürgermeister Heinrich Schneider war es, der auf Drängen der Bevölkerung, eine so wichtige Anlage wieder aufzubauen, sich dann mit den jeweiligen Behörden in Verbindung setzte. 1955 wurde der Beschluß gefaßt, das Schwimmbad grundlegend zu erneuern und das alte Badgelände im Umlegungsverfahren sowie durch Grundstückszukauf zu vergrößern.
Mittlerweile wurde das Schwimmbecken nach wettkampftauglichen Kriterien vergrößert. Eine Umwälzanlage sorgt ständig für sauberes Wasser. Parkplätze wurden angelegt und der kleine Sportplatz, welcher im Laufe der Zeit durch Abtragung des Steinbruchs vergrößert wurde, erfreut sich noch heute, während der immer noch stattfindenden Handball-Pfingstturniere, großer Beliebtheit.
Und wie vor vielen Jahren, bevölkern nach wie vor, an heißen Wochenenden zwischen drei- und viertausend Menschen, die teilweise weite Wegstrecken in Kauf nehmen, unser idyllisches Kleinod im Taunus. Ein Beweis dafür, wie sinnvoll eine solche Einrichtung für uns alle ist, die es unbedingt zu erhalten gilt und deren Geschichte allein dafür spricht, das nicht sterben zu lassen, was unsere Vorfahren in mühevoller Arbeit für uns und ihre Nachwelt geschaffen haben